Am vergangenen Donnerstag (19.03.14) fand in Karlsruhe das Festsymposium „100 Jahre Haber-Bosch-Verfahren“ statt – ein denkwürdiges Jubiläum für die Synthese eines kleinen Moleküls, das so entscheidend zur Entwicklung der modernen Gesellschaft beigetragen hat. Die Vortragenden Prof. Michael Mönnich, Prof. Raimund Horn, Dr. Michael Nilles und Prof. Jan-Dierk Grunwaldt gaben einen Überblick über Geschichte und Bedeutung des Prozesses und richteten den Blick auf Herausforderungen der Zukunft.
„Gute Katalysatoren sind mittelmäßig“. So fasste Prof. Raimund Horn von der Technischen Universität Hamburg-Harburg die Katalysatorforschung der letzten hundert Jahre zusammen. Er war am vergangenen Donnerstag einer von vier Vortragenden auf dem Festsymposium „100 Jahre Haber-Bosch-Verfahren“, welches der Förderverein Chemie-Olympiade e.V. (FChO) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) veranstaltet hat. Neben Studenten und Mitarbeitern des KIT befanden sich auch die 16 besten deutschen Chemie-Olympioniken und weitere Schüler unter den Zuhörern. Selbst eine Schulklasse aus Schwäbisch-Gmünd hatte den Weg nach Karlsruhe angetreten.
Anlass war das hundertjährige Jubiläum der Inbetriebnahme der ersten industriellen Anlage zur Synthese von Ammoniak. Im Jahr 1913 etablierte die BASF in Ludwigshafen das Haber-Bosch-Verfahren, ohne das die Produktion von Düngemitteln und damit die moderne Landwirtschaft nicht denkbar wäre. Die Synthese von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff ist eng verbunden mit den Namen Fritz Haber und Carl Bosch, deren Lebensweg Prof. Michael Mönnich in seinem ersten Vortrag nachzeichnete. Die Notwendigkeit einer industriellen Ammoniaksynthese hätten um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert mehrere Wissenschaftler betont. Sie prognostizierten Hungersnöte, falls die Synthese von synthetischem Düngemittel nicht gelänge. Nach 100 Jahren intensiver Forschung sei die industrielle Ammoniaksynthese eine der am besten verstandenen Reaktionen in der Katalyse. In seinem Vortrag zeigte Prof. Raimund Horn, wie die Grundlagenforschung viele wichtige Fragen zum Mechanismus der Reaktion in den vergangenen Jahrzehnten aufdecken konnte. Gleichzeitig machte er deutlich, dass der Weg damit keineswegs am Ende sei. Heutzutage wisse man, dass Katalysatoren hochdynamische Objekte sind, die sich während einer Reaktion unentwegt umordnen. Gute Katalysatoren sollten nicht zu schlecht, aber auch nicht zu gut an die Reaktionspartner binden. Alles das mache die Katalyseforschung so faszinierend und zugleich herausfordernd.
Über zukünftige Herausforderungen sprach auch Prof. Jan-Dierk Grunwaldt, der als Schüler selbst an der Internationalen Chemie-Olympiade teilgenommen hatte und heute den Lehrstuhl für Chemische Technologie und Katalyse am KIT innehat. Stand man zu Beginn des 20. Jahrhundert vor der Herausforderung, genügend Lebensmittel für die rasant wachsende Menschheit zu produzieren, so sei heute die nachhaltige Energiegewinnung eine der großen Fragen der Zeit. Hier spiele die Katalyseforschung eine Schlüsselrolle. Beispiele seien die Speicherung regenerativer Energien, die Umwandlung von Biomasse in Benzin oder die Entwicklung von neuartigen Abgaskatalysatoren z.B. für Dieselmotoren. Diese Sichtweise vertrat auch Dr. Michael Nilles von der BASF SE. Insbesondere an die begeisterten Schüler gewandt sprach er davon, dass auch heutzutage noch genügend „dream reactions“ darauf warten, von zukünftigen Generationen von Chemikern entwickelt zu werden.
Das Symposium war eingebettet in eine Seminarwoche zum Thema „Ammoniaksynthese und Katalyse“, die der FChO mit freundlicher Unterstützung des KIT und der BASF SE für die besten 16 deutschen Teilnehmer der Chemie-Olympiade organisierte. Unter den Teilnehmern waren auch die Schüler, die bei der diesjährigen Internationalen Chemie-Olympiade in Moskau eine Silber- und Bronzemedaille gewonnen hatten. Die Schüler waren im Verlauf des vergangenen Jahres unter mehr als 1.300 Teilnehmern in einem vierstufigen Verfahren ausgesucht worden. Bei einem Besuch bei der BASF in Ludwigshafen konnten die Schüler mit eigenen Augen erleben, wie die Ammoniaksynthese im Haber-Bosch-Verfahren heutzutage angewandt wird. Katalyse besteht jedoch nicht nur aus dem Haber-Bosch-Verfahren. Wichtige Beispiele begegnen einem auch im Alltag, wie zum Beispiel Autoabgaskatalysatoren. In der Arbeitsgruppe von Prof. Grunwaldt erfuhren die Chemie-Olympioniken daher, wie ein Autoabgaskatalysator chemisch betrachtet funktioniert und wie die Forschung an diesem wichtigen Autobestandteil vorangeht. Weiterhin bekamen die Schüler bei Prof. Rolf Schuster (KIT) einen Einblick in die Elektrochemie und lernten dabei auch den Umgang mit einem Rastertunnelmikroskop kennen.